In diesem Kapitel stellen wir Ihnen eine der beiden Formen der Bildung des Präsens (also der Gegenwart) im Türkischen vor. Sie lernen in diesem Kapitel das sogenannte yor-Präsens kennen. Dieser Name verrät schon viel über dessen Bildung. Diese Zeitform erkennt man nämlich ganz leicht am Suffix -(i)yor, das an den Verbstamm angefügt wird um diese Zeitform der Gegenwart zu kennzeichnen.
Als allgemeine Faustregel zur Bildung können Sie sich also merken:
Wenn Sie nicht mehr sicher sind, wie man den Stamm eines Verbs im Türkischen herausfindet: Man streicht einfach die Infinitivendung (-mek oder -mak) weg und schon hat man die Stammform des Verbs gefunden. (Näheres hierzu lesen Sie im Kapitel zum Vollinfinitiv nach.)
Nach dieser neu gebildeten Präsensform hängen Sie noch die Personalendung vom Typ 1 in der entsprechenden grammatischen Person an und schon sind Sie fertig. Die vollständige Regel zur Bildung von Verben im Präsens lautet also:
Lernen Sie nun Ihr erstes Verb im Türkischen zu konjugieren. Wir nehmen dazu das oft gebrauchte Verb gelmek (dt. kommen), dessen Verbstamm gel- lautet. An diesen Stamm hängen wir die Endung -iyor an und erhalten die Verbform geliyor. Und zum Schluss fügen wir daran die Personalendung vom Typ1 an. Diese Personalendung folgt der großen Vokalharmonie: Da der letzte Vokal des Verbs nun ein o (vgl geliyor) ist, wird der Vokal in der Personalendung zum u. (Mehr hierzu lesen Sie im Kapitel zur großen Vokalharmonie.)
Jetzt ist die Präsensbildung im Türkischen leider nicht ganz so simpel, wie es hier auf den ersten Blick scheinen mag. Sie ist zwar (bis auf lediglich zwei Ausnahmen) absolut regelhaft, doch muss man sich hier wieder intensiv mit den Regeln der türkischen Vokalharmonie befassen. Wir zeigen Ihnen nun Schritt für Schritt, was man bei der Präsensbildung beachten muss:
1. Bilden Sie den Verbstamm.
2. Fragen Sie sich jetzt: Endet der Verbstamm auf einen Konsonanten?
Wenn Sie diese Frage mit „ja“ beantworten, ist alles ganz einfach. Sie hängen (wie im Beispiel oben gezeigt) erst -iyor und dann die Personalendung an.
3. Wenn der Verbstamm auf einen Vokal endet, so wird die Sache ein wenig komplizierter und Sie müssen drei Fälle unterscheiden:
3.a) Endet der Verbstamm auf ein a? Hier wird das a im Verbstamm zu einem ı oder u – abhängig vom vorigen Vokal. An den so veränderten Verbstamm hängt man -yor und dann die Personalendung an.
3.b) Endet der Verbstamm auf ein e? Hier wird das e im Verbstamm zu einem i oder ü – abhängig vom vorigen Vokal. An den so veränderten Verbstamm hängt man -yor und dann die Personalendung an.
3.c) Endet der Verbstamm auf einen anderen Vokal (i, ı, o, u oder ü)? In diesem Fall ändert sich nichts und es wird als Präsensendung -yor und anschließend die Personalendung angehängt.
Die erste (und wahrscheinlich am besten zu merkende) Variante mit Verbstammendung auf einen Konsonanten haben wir ja schon durchgespielt. Nun aber zeigen wir Ihnen auch noch Beispiele für die Vokal-Varianten:
Beginnen wir mit einem Verbstamm, der auf a auslautet:
Das yor-Präsens eines Verbstamms auf a: Beispiel aramak (dt. suchen)
aufgesplittete Form
yor-Präsens
Deutsch
arı + yor + um
arıyorum
ich suche
arı + yor + sun
arıyorsun
du suchst
arı + yor + keine Endung!
arıyor
er/sie/es sucht
arı + yor + uz
arıyoruz
wir suchen
arı + yor + sunuz
arıyorsunuz
ihr sucht
arı + yor + lar
arıyorlar
sie suchen
Und hier üben wir an einem Verbstamm, der auf e auslautet:
Das yor-Präsens eines Verbstamms auf e: Beispiel söylemek (dt. sagen)
söylü + yor + um
söylüyorum
ich sage
2. Pers. Sg.
söylü + yor + sun
söylüyorsun
du sagst
söylü + yor + keine Endung!
söylüyor
er/sie/es sagt
1. Pers. Pl.
söylü + yor + uz
söylüyoruz
wir sagen
2. Pers. Pl.
söylü + yor + sunuz
söylüyorsunuz
ihr sagt
3. Pers. Pl.
söylü + yor + lar
söylüyorlar
sie sagen
Und nun knöpfen wir und das Verb okumak (dt. lesen) vor; es gehört zur Gruppe, die unter der Regel 3.c) genannt wurde:
Das yor-Präsens eines Verbstamms auf einen anderen Vokal: Beispiel okumak (dt. lesen)
oku + yor + um
okuyorum
ich lese
oku + yor + sun
okuyorsun
du liest
oku + yor + keine Endung!
okuyor
er/sie/es liest
oku + yor + uz
okuyoruz
wir lesen
oku + yor + sunuz
okuyorsunuz
ihr lest
oku + yor + lar
okuyorlar
sie lesen
Unser Tipp zum Weiterüben:Bei der Bildung des Präsens hilft nur häufiges Üben, damit Ihnen diese Regeln in Fleisch und Blut übergehen. Wechseln Sie nun also bitte in den Vokabelteil Ihres Sprachkurses und suchen Sie sich die ersten Verben heraus, auf die Sie treffen. Bilden Sie mit diesen Verben alle Präsensformen.
Sie können diese Übung auch variieren: Nehmen Sie einen Zettel und schreiben Sie die Verben auf, die Sie gefühlsmäßig am häufigsten benutzen. Bilden Sie alle Präsensformen dieser Verben.
Nachdem Sie nun sattelfest in der Bildung des Präsens auf -yor sind, zeigen wir Ihnen, in welchen Fällen Sie diese Verbformen gebrauchen können.
Neben diesen bejahten Verbformen, können Sie im Türkischen auch eine verneinte Form, des Präsens bilden, bei der die Verneinung schon im Verb drin steckt. Wie diese Form gebildet wird, erfahren Sie hier: Verneinung des Präsens auf »yor«.