Die Herausforderungen beim Griechischlernen:
Wo liegen (mögliche) Schwierigkeiten für deutsche Lerner?

Sie möchten bestimmt sofort in die Details der neugriechischen Grammatik einsteigen.
Dennoch möchten wir Sie bitten, sich noch einen kurzen Augenblick Zeit zu nehmen.
 
In diesem Kapitel geben wir Ihnen einen Überblick über die Herausforderungen, die sich Deutschen beim Griechischlernen stellen müssen.

Die erste Hürde:
Geschrieben wird heute noch wie vor vielen hundert Jahren - die Aussprache aber hat sich verändert

Mit den ersten Kapiteln dieses Lehrwerks legen Sie den Grundstein für Ihr Lernen:
Im Kapitel zur Sprachgeschichte des Griechischen haben Sie gelesen, dass das Neugriechische auch heute noch (fast) so geschrieben wird wie das Altgriechische. Die Aussprache aber hat sich im Lauf der Jahrhunderte stark verändert. Aus diesem Grund darf man für das Neugriechische nicht vom Grundsatz "die Schreibung entspricht der Aussprache" ausgehen.
 
Es gibt im Griechischen zum Beispiel allein drei Buchstaben und zwei Buchstabenkombinationen, die als ein Laut (nämlich als [i]) gesprochen werden.
Bitte schauen Sie sich diese Beispiele an:

Unterschiedliche Arten ein [i] zu schreiben - nur eine Art der Aussprache:
Buchstabe(n) gesprochen als: wie im deutschen Wort griechisches Beispielwort
Η / η [i] Liste, Fisch ήλιος [ilios] (Sonne)
κινητό [kinitó] (Handy)
Ι / ι [i] Liste, Fisch βιβλίο [wiwlío] (Buch)
ιδέα [idäa] (Idee)
Υ / υ [i] Liste, Fisch τυρί [tirí] (Käse)
γύρος [gíros] (Gyros)
ει [i] Liste, Fisch σχολείο [scholío] (Schule)
ειρήνη [iríni] (Frieden)
οι [i] Liste, Fisch φίλοι [fíli] (Freunde)
οι [i] (die – bestimmter Artikel im Plural)

Bei all diesen Beispielen hören Sie immer ein [i]. Sie schreiben aber ganz unterschiedliche Buchstaben.
Deshalb lautet unser Tipp an Sie:

Lernen Sie die Schreibung eines Wortes von Anfang an mit.
Bitte orientieren Sie sich nicht allein an der Aussprache.

Der ersetzte Fall:
Der (nicht vorhandene) Dativ im Neugriechischen

Wenn Sie sich daran machen alles über die griechischen Substantive zu lernen, werden Sie schnell feststellen:
Im Neugriechischen gibt es keinen Dativ.
 
Im Neugriechischen gibt es aber noch feste Wendungen, die aus dem klassischen Altgriechisch beibehalten wurden. In diesen findet man noch Dativendungen der Substantive. Diese müssen Sie als feststehende Wendungen auswendig lernen.

Der Elativ - eine Spezialität griechischer Adjektive

Wenn Sie sich mit den griechischen Adjektiven beschäftigen, stoßen Sie schnell auf eine weitere "Spezialität": den Elativ.
 
Der Elativ ist eine Steigerungsform, die es schon im Altgriechischen gab.
Er ist eng verwandt (aber nicht identisch!) mit dem Superlativ.
Ins Deutsche übersetzt man Elativ-Formen am besten mit Hilfskonstruktionen aus "sehr + Adjektiv" oder "äußerst + Adjektiv". Wir zeigen Ihnen gleich ein paar Beispiele:

  • ωραιότατος καιρός - sehr schönes Wetter
  • βαθύτατη θάλλασα - sehr tiefes Meer
  • ομορφότατο μωρό - äußerst hübsches Baby

Das Herz der griechischen Sprache: das Verbsystem!

Vor allem mit dem Verbsystem des Griechischen sollten Sie sich intensiv beschäftigen.
Das Verbsystem kann man getrost als das "Herz" der griechischen Sprache bezeichnen. Gerade hier gibt es einige große Unterschiede zum Deutschen:

  • Griechische Verben haben keinen Infinitiv.
    Wenn man in einem griechischen Wörterbuch nach einem Verb sucht, findet man dort die erste Person Singular (Einzahl) im Präsens (Gegenwart).
  • Griechische Verben kann man in vier verschiedene Klassen einteilen.
    Jede dieser Klassen hat andere Merkmale und Flexionsmuster in den unterschiedlichen Zeiten.
  • Die griechische Sprache kennt drei sogenannte „Diathesen“: aktiv, passiv und medial.
    Unter dem Begriff Diathese versteht man die Handlungsrichtung eines Verbs, also seinen allgemeinen Zustand. Die Diathese eines Verbs sorgt dafür, dass allen Teilen eines Satzes eine bestimmte Rolle zugewiesen wird.
  • Jedes Verb hat zwei Verbstämme: den Präsensstamm und den Aoriststamm
    Diese beiden unterschiedlichen Verbstämme drücken den Aspekt eines griechischen Verbs aus.
    Hier müssen Sie als deutscher Muttersprachler wirklich ein bisschen umdenken:
    Mit „Aspekt“ beschreibt man die „Blickrichtung“ eines Verbs. Mit dieser Blickrichtung konzentriert sich ein Sprecher nicht darauf, Zeitverhältnisse (wann passiert etwas?) zu betonen, sondern er zielt darauf ab zu beschreiben, auf welche Art und Weise eine Handlung passiert (wie passiert etwas?).

Nun wollen wir Sie aber nicht länger davon abhalten all das im Detail und mit vielen Beispielen kennenzulernen!
Im nächsten Kapitel lernen Sie die griechische Schrift kennen.


 

Inhaltsverzeichnis dieser Griechisch-Grammatik:



 
 
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