In diesem Abschnitt wagen wir uns vor ins Zentrum und ins Herz der griechischen Sprache: Wir lernen das Verbsystem kennen!
In diesem Kapitel möchten wir Ihnen einen ersten Einblick und Überblick geben, was Sie in den nächsten Kapiteln erwartet. Das griechische Verbsystem unterscheidet sich ganz deutlich vom deutschen. Deswegen bitten wir Sie schon an dieser Stelle:
Nun, zunächst müssen Sie einen ersten und grundlegenden Unterschied zum Deutschen verstehen: Das Griechische kennt keinen Infinitiv. Wenn griechischen Verben also keine Grundform haben, in welcher Form sind sie dann in einem Wörterbuch zu finden? Wenn man in einem griechischen Wörterbuch nach einem Verb sucht, findet man dort die erste Person Singular (Einzahl) im Präsens (Gegenwart). Wenn Sie nach der Übersetzung für das deutsche Verb „gehen“ suchen, finden Sie den Eintrag „πηγαίνω“ – ich gehe.
Für das Erlernen einer jeden Sprache ist es unerlässlich, dass Sie die beiden Hilfsverben „sein“ und „haben“ im Schlaf beherrschen. Hier zeigen wir Ihnen gleich die Präsensformen der beiden Verben. Können Sie diese schon?
* Vielleicht fragen Sie sich jetzt, wo denn in dieser Verbform das Personalpronomen „ich“ im Griechischen geblieben ist. Im Griechischen brauchen Sie das Personalpronomen nur dann zusammen mit der Verbform zu nennen, wenn Sie dieses ganz besonders betonen möchten.
Griechische Verben kann man in vier verschiedene Klassen einteilen. Jede dieser Klassen hat andere Merkmale und Flexionsmuster in den unterschiedlichen Zeiten.
Aus dieser Übersicht können Sie schon einiges an Wissen ableiten: Wenn ein Verb im Aktiv auf -ω endet, dann wird im Passiv die Endung -ομαι angehängt werden. Denn dieses Verb gehört zur Gruppe von Typ A. Gleiches gilt natürlich auch für die Verben, die zum Typ B gehören
Die griechische Sprache kennt drei sogenannte „Diathesen“: aktiv, passiv und medial. Unter dem Begriff Diathese versteht man die Handlungsrichtung eines Verbs, also seinen allgemeinen Zustand. Die Diathese eines Verbs sorgt dafür, dass allen Teilen eines Satzes eine bestimmte Rolle zugewiesen wird.
Um diese Aussage verstehen zu können, möchten wir Ihnen zunächst das grundlegende Prinzip der Zeitenbildung im Griechischen vorstellen. Viele Zeiten im Griechischen werden nach dieser Faustregel gebildet:
Man braucht einen Verbstamm, um ein Verb in einer bestimmten Zeitform (Gegenwart / Vergangenheit / Zukunft) ausdrücken zu können. An diesen Verbstamm muss man eine Endung anhängen: Diese Endung drückt dann Person, Zahl und Zeit aus.
Schauen wir uns jetzt Beispiele in mehreren Zeiten an:
Welches theoretische Grundwissen können wir uns aus dieser Tabelle erschließen? Jedes griechische Verb existiert in zwei Verbstämmen (Aspekten).
Diese beiden unterschiedlichen Verbstämme drücken den Aspekt eines griechischen Verbs aus. Mit „Aspekt“ beschreibt man die „Blickrichtung“ eines Verbs. Mit dieser Blickrichtung konzentriert sich ein Sprecher nicht darauf, Zeitverhältnisse (wann passiert etwas?) zu betonen, sondern er zielt darauf ab zu beschreiben, auf welche Art und Weise eine Handlung passiert (wie passiert etwas?).
Wenn Sie also den Satz „Ich lernte Griechisch in der Schule.“ übersetzen wollen, handelt es sich dabei um eine dauerhafte, lang andauernde Handlung (die „Blickrichtung“, den sogenannten Aspekt). Daraus erschließen Sie, dass Sie zur Bildung der richtigen Zeit den Präsensstamm das Verbs „lernen“ brauchen, da die Handlung in der Vergangenheit stattfand. Sie verwenden also das Imperfekt.
Möchten Sie auf Griechisch sagen „Ich werde heute um 15 Uhr ins Kino gehen“, beschreiben Sie eine einmalige Handlung. Also wissen Sie, dass sie zur richtigen Übersetzung den Aoriststamm des Verbs „gehen“ verwenden müssen. Die Zeit, die wir in unserem Beispielsatz brauchen ist also das punktuelle Futur.
Keine Angst, sollte Ihnen unsere Erklärung noch zu theoretisch sein, können Sie darauf vertrauen, dass Sie im Laufe dieser Grammatik noch viele Beispiele zu diesem Thema finden.
Hier zeigen wir Ihnen die beiden Verbstämme und ihre Aufgaben nochmal in einer Übersicht:
Mit diesem ersten Einblick haben Sie sich schon sehr viel grundlegendes Wissen zum Verständnis des griechischen Verbsystems erarbeitet!
Wir beginnen unsere Arbeit am griechischen Verbsystem, indem wir uns zunächst dem Infinitiv zuwenden.