Wie der
Nominativ bei den Substantiven, so ist der Infinitiv die Nennform bei
den Verben. In den Wörterbüchern wird sie als die erste
Form eines Verbs aufgelistet.
Sie erkennt man im Estnischen an der
Endung -ma.
Der
Infinitiv ist eine nicht-flektierte Verbform, genau wie im Deutschen
auch.
BEISPIELE
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Petrale
meeldib raamatuid lugeda.
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Petra
mag Bücher lesen.
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Sa
võid mulle kooli järgi tulla.
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Du
kannst mich in der Schule abholen.
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Me
peaksime usinalt õppima.
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Wir
sollten fleißig lernen.
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Ma
lähen homme ujuma.
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Morgen
gehe ich schwimmen.
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In der
Regel haben die Verben im Estnischen aber zwei Infinitivformen. Die
eine hat die Endung -ma und die andere -da. Die
Verwendungsbereiche sind nach „Zuständigkeiten“
geteilt.
Die
Infinitivform -ma wird – außer, dass sie die
Lexikonform ist – bei den Verben, die eine Bewegung oder einen
Anfang ausdrücken, verwendet. Solche Verben sind beispielsweise
astuma 'schreiten, treten', hakkama 'beginnen', istuma
'sich setzen', jooksma 'laufen', jätma 'lassen',
jääma 'bleiben', kutsuma 'rufen', minema
'gehen', panema 'stellen, legen', tulema 'kommen',
õpetama 'lehren' oder õppima 'lernen'.
Der ma-Infinitiv ist auch die Form, aus der Inessiv
(Liisi on hetkel õppimas 'Liisi ist gerade beim Üben'),
Elativ (Liisi tuleb õppimast
'Liisi kommt vom Üben') und Abessiv
(Ilma harjutamata andis
Liisi kontserdi 'Ohne zu üben, hielt Liisi ein
Konzert') gebildet werden können.
Die ma-Form selbst ist
– wenn man es aus der Perspektive der Sprachgeschichte her
betrachtet – eine Illativform
(Liisi läks harjutama 'Liisi ging üben').
Die
Infinitivform -da hat die drei Vorkommensvarianten -da,
-ta und -a. Die Endung auf -da kommt am
häufigsten vor. Dieser Typ von Infinitiv steht bei den Verben,
die Gefühlszustände ausdrücken, sowie bei Äußerungen
des Willens oder einer Verpflichtung. Solche Verben sind
beispielsweise armastama 'lieben', jaksama 'können,
vermögen', julgema 'wagen', käskima
'befehlen', laskma 'lassen', mõistma
'verstehen', nägema 'sehen', paluma 'bitten',
proovima 'probieren', soovitama 'empfehlen', tahtma
'wollen', teadma 'wissen', tohtima 'dürfen' oder
pidama 'müssen, sollen'.
Aus dem da-Infinitiv wird
nur der Inessiv
gebildet: Liikudes tuleb parem vorm
'(wörtlich:) Beim Sich-Bewegen wird man fitter'.
BEISPIELE
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Markus
ei taha kinno minna.
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Markus
will nicht ins Kino gehen.
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Peter
tahab Petraga abielluda.
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Peter
will Petra heiraten.
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Petra
peaks kassi toitma.
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Petra
sollte die Katze füttern.
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Die
wichtigsten Ausdrücke, bei denen der Infinitiv mit -da
(auch mit -ma) auftritt:
BEISPIELE
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ma
pean, mul tuleb, mul on vaja
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ich muss
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ma tahan
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ich will
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mul on tarvis
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ich brauche, ich
habe nötig
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ma võin, ma
saan
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ich kann
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ma armastan
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ich liebe
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Mit
einfachen Beispielen erläutert:
BEISPIELE
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ma
pean sööma
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ich
muss essen
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mul
tuleb magada
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ich
muss schlafen
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mul
on vaja koristada
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ich
muss aufraumen
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ma
tahan mängida
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ich
will spielen
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mul
on tarvis tantsida
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ich
brauche tanzen
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ma
saan (võin) rääkida
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ich
kann sprechen
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ma
armastan laulda
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ich
liebe singen
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In
der folgenden Tabelle sind noch mehr Beispiele – im Kontext ganzer
Sätze – zum gerade Gesagten:
BEISPIELE
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Sa
pead täna veel vanaemale helistama.
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Du
musst heute noch die Oma anrufen.
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Ma
tahan homme tantsima minna.
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Ich
will morgen tanzen gehen.
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Ma
pean korraks ära minema.
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Ich
muss ganz kurz verschwinden.
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Hanna,
ma võin tulla ja sind aidata.
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Hanna,
ich kann kommen und dir helfen.
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Ma
armastan vihmas edasi tagasi hüpata.
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Ich liebe es, im Regen hin
und her zu hüpfen!
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Die
Verbformen werden meistens direkt vom Stammwort ausgehend gebildet.
Beispielsweise wird vom Infinitiv istuma 'sitzen' die Endung
-ma enfernt und an den daraus gewonnenen Stamm die jeweilige
Endung hinzugefügt:
istuma 'sitzen' (Inf.), ma
istun (Präs.), ma istusin (Prät.),
ma olen istunud (Perf.), ma olin istunud
(Pluq.). Wenn der Stamm mit einem Konsonanten endet, wird beim
Präsens und beim Präteritum ein Vokal noch hinzugefügt:
z. B. jooksma 'laufen' (Inf.), ma jooksen
(Präs.), ma jooksin (Prät.), olen
jooksnud (Perf.), olin jooksnud (Pluq.).
Im
nun folgenden Kapitel lernen Sie das Partizip
kennen.