Wie der Nominativ bei den Substantiven, so ist der Infinitiv die Nennform bei den Verben. In den Wörterbüchern wird sie als die erste Form eines Verbs aufgelistet. Sie erkennt man im Estnischen an der Endung -ma.
Der Infinitiv ist eine nicht-flektierte Verbform, genau wie im Deutschen auch.
In der Regel haben die Verben im Estnischen aber zwei Infinitivformen. Die eine hat die Endung -ma und die andere -da. Die Verwendungsbereiche sind nach „Zuständigkeiten“ geteilt.
Die Infinitivform -ma wird – außer, dass sie die Lexikonform ist – bei den Verben, die eine Bewegung oder einen Anfang ausdrücken, verwendet. Solche Verben sind beispielsweise astuma 'schreiten, treten', hakkama 'beginnen', istuma 'sich setzen', jooksma 'laufen', jätma 'lassen', jääma 'bleiben', kutsuma 'rufen', minema 'gehen', panema 'stellen, legen', tulema 'kommen', õpetama 'lehren' oder õppima 'lernen'. Der ma-Infinitiv ist auch die Form, aus der Inessiv (Liisi on hetkel õppimas 'Liisi ist gerade beim Üben'), Elativ (Liisi tuleb õppimast 'Liisi kommt vom Üben') und Abessiv (Ilma harjutamata andis Liisi kontserdi 'Ohne zu üben, hielt Liisi ein Konzert') gebildet werden können. Die ma-Form selbst ist – wenn man es aus der Perspektive der Sprachgeschichte her betrachtet – eine Illativform (Liisi läks harjutama 'Liisi ging üben').
Die Infinitivform -da hat die drei Vorkommensvarianten -da, -ta und -a. Die Endung auf -da kommt am häufigsten vor. Dieser Typ von Infinitiv steht bei den Verben, die Gefühlszustände ausdrücken, sowie bei Äußerungen des Willens oder einer Verpflichtung. Solche Verben sind beispielsweise armastama 'lieben', jaksama 'können, vermögen', julgema 'wagen', käskima 'befehlen', laskma 'lassen', mõistma 'verstehen', nägema 'sehen', paluma 'bitten', proovima 'probieren', soovitama 'empfehlen', tahtma 'wollen', teadma 'wissen', tohtima 'dürfen' oder pidama 'müssen, sollen'. Aus dem da-Infinitiv wird nur der Inessiv gebildet: Liikudes tuleb parem vorm '(wörtlich:) Beim Sich-Bewegen wird man fitter'.
Die wichtigsten Ausdrücke, bei denen der Infinitiv mit -da (auch mit -ma) auftritt:
Mit einfachen Beispielen erläutert:
In der folgenden Tabelle sind noch mehr Beispiele – im Kontext ganzer Sätze – zum gerade Gesagten:
Die Verbformen werden meistens direkt vom Stammwort ausgehend gebildet. Beispielsweise wird vom Infinitiv istuma 'sitzen' die Endung -ma enfernt und an den daraus gewonnenen Stamm die jeweilige Endung hinzugefügt: istuma 'sitzen' (Inf.), ma istun (Präs.), ma istusin (Prät.), ma olen istunud (Perf.), ma olin istunud (Pluq.). Wenn der Stamm mit einem Konsonanten endet, wird beim Präsens und beim Präteritum ein Vokal noch hinzugefügt: z. B. jooksma 'laufen' (Inf.), ma jooksen (Präs.), ma jooksin (Prät.), olen jooksnud (Perf.), olin jooksnud (Pluq.).
Im nun folgenden Kapitel lernen Sie das Partizip kennen.