Spanisch in Europa und Südamerika

Im vorangegangenen Kapitel haben Sie gelesen, dass Spanisch eine Weltsprache und auf vier Kontinenten verbreitet ist. Nur ein kleiner Teil aller Spanisch-Muttersprachler lebt in Spanien – das sind 47 Millionen. Insgesamt zählt man mehr als 380 Millionen Muttersprachler. Wo also leben die übrigen 333 Millionen Sprecher? Der größte Teil von ihnen lebt in Mittel- und Südamerika.

Spanisch ist nicht Spanisch?

Von Mexiko über Kuba, Costa Rica, Kolumbien und Peru bis an den Südzipfel Argentiniens: Man spricht also – abgesehen von den Ausnahmen Brasilien und Französisch-Guayana – Spanisch.
Aber unterscheidet sich denn dieses Spanisch von jenem Spanisch, das auf dem europäischen Festland gesprochen wird? Diese Frage muss man mit einem entschiedenen „Ja“ beantworten.

Dann kann also ein Mexikaner oder ein Argentinier einen Spanier aus Europa nicht verstehen? Diese Frage wiederum muss man mit einem entschiedenen „Nein“ beantworten.
In der Regel werden ein Argentinier und ein Spanier keine Probleme haben, sich einander verständlich zu machen.

Sie sehen also: Spanisch ist nicht überall gleich Spanisch. Es gibt mehrere Varianten des Spanischen. Man unterscheidet beispielsweise das europäische, das kubanische oder das argentinische Spanisch voneinander.

Welche Variante lernen Sie in diesem Sprachkurs kennen?

In diesem Lehrwerk wollen wir Ihnen die europäische Variante des Spanischen näher bringen. Alle beschriebenen Grammatikphänomene und Beispiele beziehen sich auf das, auf dem spanischen Festland gesprochene Standard-Kastilisch.

Trotzdem möchten wir Ihnen in diesem Kapitel einige Informationen über die Unterschiede und Besonderheiten der Varianten mit auf den Weg geben.

Wo liegen die Unterschiede?

Wir sehen die Unterschiede und Besonderheiten der verschiedenen Varianten auf drei Ebenen angesiedelt:

  1. der Unterschied Europa – Amerika
    Den ersten, großen Unterschied finden wir zwischen dem europäischen und dem sogenannten „amerikanischen Spanisch“. Hier gibt es große Unterschiede in der Aussprache des Spanischen – es macht einen riesengroßen Unterschied, ob Sie sich mit einem Spanier oder einem Argentinier unterhalten. Auch im Wortschatz und in der Grammatik unterscheiden sich die beiden Varianten.
  2. Unterschiede innerhalb Amerikas
    Eine weitere Ebene der Unterscheidung sehen wir innerhalb (Latein-)Amerikas. In Argentinien spricht man nicht das gleiche Spanisch wie in Kolumbien oder auf Kuba.
  3. regionale Unterschiede – sowohl in Europa als auch in Amerika
    Auf der dritten Ebene finden wir schließlich noch regionale Unterschiede. Diese kennen Sie bestimmt auch aus dem Deutschen: Das Deutsch eines Hamburgers klingt anders als das Deutsch eines Münchners. Und genauso ist zum Beispiel auch in Spanien: Ein Ibizenker klingt anders als ein Madrilene oder als ein Sprecher aus Sevilla oder Santander.

Nun wollen wir Ihnen in einem kurzen Überblick die Unterschiede auf der Ebene 1 präsentieren:

Seseo & Yeísmo – Unterschiede auf der Ebene der Aussprache

In Lateinamerika gibt es zwei Phänomene der Aussprache, die den ganz speziellen „Sound“ in den Staaten Südamerikas ausmachen:
Das ist zum ersten der Seseo.

Mit „Seseo“ bezeichnen Sprachwissenschaftler das Phänomen, dass in vielen Ländern Lateinamerikas die Buchstaben c, s und z als stimmloses [s] ausgesprochen werden. Anders ist das im Kastilischen: Auf dem spanisch-europäischen Festland spricht man das s zwar als stimmloses [s], (es sei denn es folgt ein stimmhafter Konsonant). C und z aber werden wie das th im Englischen, als Lispellaut [θ], gesprochen.

In manchen Fällen kann es also sein, dass zwei Wörter mit unterschiedlichen Bedeutungen gleich ausgesprochen werden. In Lateinamerika würde man diese Beispiele gleich aussprechen, ihre Bedeutung ist jedoch unterschiedlich.
Beispiele:
asar – grillen & azar – der Zufall
cima – der Gipfel & sima – das Erdloch

Die zweite Besonderheit benennt die spanische Sprachwissenschaft mit der Bezeichnung „Yeísmo“.

Im Kastilischen spricht man das y als [ʝ] (in etwa wie das J im deutschen Wort „ja“) und die Buchstabenkombination ll als [ʎ] (wie im spanischen Wort „Mallorca“) aus. In manchen (nicht in allen!) Ländern Lateinamerikas spricht man y und ll gleich aus. Wenn der Yeísmo auftritt, unterscheiden die lateinamerikanischen Sprecher nicht zwischen den beiden Lauten. Sie sprechen dann beides entweder als [ʝ] oder auch als [ɟ] oder [ʒ] aus.

Vorsicht: Fettnäpfchen! – Unterschiede im Wortschatz

Manche, häufig benutzte spanische Wörter haben in Europa und Amerika vollkommen unterschiedliche Bedeutungen. Hier müssen Sie ein bisschen aufpassen, denn diese Unterschiede bergen ein großes Potential für Fettnäpfchen!
Wir zeigen Ihnen hier einige Beispiele:


Wörter mit Bedeutungsunterschieden in Europa und Lateinamerika
Dieses Wort ... bedeutet in Spanien bedeutet in Lateinamerika
currar jobben, arbeiten lügen, betrügen
coger nehmen (vulgär für) Sex haben
paro Arbeitslosigkeit Streik, Arbeitskampf

Voseo & Loísmo – Unterschiede auf der Ebene der Grammatik

Das Phänomen des „Voseo“ hat etwas mit der Verwendung der Personalpronomen in Südamerika zu tun. Im Kastilischen benutzt man als Personalpronomen für die 2. Person Singular „tú“ - in Südamerika verwendet man „vos“. Ein Beispiel:
comes (Spanien) – du isst
vos comes (Südamerika) – du isst

Der „Loísmo“ bezeichnet einen weiteren Unterschied auf grammatischer Ebene. Im Kastilischen verwendet man das Pronomen „le“, um ein direktes Akkusativobjekt zu ersetzen. In Südamerika werden Sie stattdessen „lo“ hören.
Schauen Sie sich das an einem Beispiel näher an:
Eva hat ihren Mann auf Kuba kennengelernt. Eva hat ihn auf Kuba kennengelernt.

Eva conoció a su marido en Cuba. Eva le conoció en Cuba. (Europa)

Eva lo conoció en Cuba. (Südamerika)

Jetzt haben Sie einen Überblick über die Unterschiede zwischen den Varianten des Spanischen bekommen und sollen endlich damit loslegen Spanisch zu lernen:
Im nächsten Kapitel finden Sie eine Einführung in das spanische Alphabet.


 

Inhaltsverzeichnis dieser Spanisch-Grammatik:



 
 
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