Französische Grammatik:
Eine kurze Sprachgeschichte des Französischen
Zum Inhaltsverzeichnis
In
diesem und dem folgenden Kapitel möchten wir Ihnen eine Reihe an
(wie wir natürlich hoffen) für Sie interessanten und
unterhaltsamen Informationen zum Französischen geben. Dadurch
soll Ihre Lust noch ein klein wenig mehr geweckt werden, diese
einflussreiche und gleichzeitig sehr lebendige Sprache zu erlernen.
Französisch
wird zu den romanischen Sprachen gezählt, welche wiederum einen
Zweig der indogermanischen Sprachfamilie darstellen. Die romanischen
Sprachen haben allesamt das gesprochene Latein, das sogenannte
Vulgärlatein, als ihre Ursprungssprache. Durch die
Expansionspolitik des römischen Reichs wurden nicht nur dessen
Macht- und Wirtschaftsbereiche stetig erweitert und konsolidiert,
nein, die Besatzungsmacht brachte auch ihre eigene Sprache mit, die
im Laufe der Zeit die vormals ansässigen Sprachen und Dialekte
(weitgehend) verdrängte.
Aus diesem gesprochenen Vulgärlatein
(das nicht mit der schriftlichen lateinischen Hochsprache verwechselt
werden sollte) entwickelten sich im Verlauf der Jahrhunderte wiederum
jene eigenen, regional verschiedenen Sprachen, wie wir sie heute
auffinden.
Zu
den romanischen Sprachen zählen – neben dem Französischen
– das Italienische, das Spanische, das Portugiesische und das
Rumänische. Daneben gibt es noch weitere romanische Sprachen,
die von einer geringeren Zahl von Muttersprachlern bis in die heutige
Zeit gesprochen werden, wie die galizische, die katalanische, die
okzitanische (im Süden Frankreichs und in Teilen Spaniens und
Italiens verbreitet), die rätoromanische (in Teilen der Schweiz
gesprochen) oder die sardinische Sprache. Während der Zeit des
Kolonialismus (ab Ende des 15. Jahrhunderts) wurden verschiedene
romanische Sprachen, allen voran das Spanische, aber natürlich
auch die französische Sprache durch die jeweiligen
Kolonialmächte in ihre Einflussgebiete getragen und dort
etabliert.
Die romanischen Sprachen gehören somit zu den in der
Gegenwart am weitesten verbreiteten Sprachen der Welt und werden von
etwa 800 Millionen Menschen, vor allem in Europa, Teilen Afrikas
sowie Süd- und Mittelamerika als Mutter- oder Zweitsprache
gesprochen. Innerhalb dieser Gruppe nimmt das Spanische (mit seinen
regionalen Ausprägungen) den Löwenanteil mit etwa 350
Millionen Sprechern ein.
Nun
werden Sie sich vielleicht fragen, warum im letzten Abschnitt so viel
von den romanischen Sprachen die Rede war, wenn Inhalt dieses
Sprachkurses doch „lediglich“ die französische
Sprache ist. Einerseits natürlich, um Ihnen (wie Sie gesehen
haben) die weltweite Verbreitung dieser Sprachen vor Augen zu führen.
Andererseits allerdings auch, um Sie an die gemeinsame Wurzel dieser
Sprachen zu erinnern. Wenn Sie Französisch sprechen können,
wird Ihnen das Erlernen einer anderen romanischen Sprache –
beispielsweise des Italienischen – mit Sicherheit etwas
leichter fallen. Wir reden ganz bewusst nicht von „leicht“,
dafür haben sich die verschiedenen Sprachen in den letzten 2000
Jahren zu weit voneinander entfernt und waren den unterschiedlichsten
Einflüssen ausgesetzt. Jedoch werden Ihnen beim Erlernen einer
weiteren romanischen Sprache immer wieder Gemeinsamkeiten zum
Französischen auffallen. Schauen Sie sich nur folgendes Beispiel
an:
Die Zahl
„fünf“ in romanischen Sprachen
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Inhalt
dieses Sprachkurses ist freilich die französische Sprache. Aus
diesem Grund soll der Fokus dieses Kapitels nun weg von anderen
romanischen Sprachen und vielmehr auf die Geschichte des
Französischen gelenkt werden.
Wie
Sie bereits im letzten Abschnitt erfahren haben, hat sich die
französische Sprache aus dem gesprochenen (Vulgär-)Latein
entwickelt. Zudem hat sie eine Vielzahl an Ausdrücken aus der
lateinischen Hochsprache, dem Schriftlatein, in sich aufgenommen,
genauso wie aus der keltischen Sprache, die in Gallien vor der
römischen Besatzung (ab 58 v. Chr.) gesprochen wurde.
Aus dieser
Sprache finden sich – auch trotz der Assimilation der damals
ansässigen Bevölkerung an das Vulgärlatein – vor
allem Wörter aus dem Bereich der Landwirtschaft (z. B. charrue –
Pflug), die keltischen Ursprungs sind. Auch die Konstruktion des
typischen französischen Fragesatzes („Est-ce que ...?“;
wörtlich: „Ist es, dass ...?“) geht auf die
keltische Sprache zurück.
Während
der Herrschaft der Franken im Norden des heutigen Frankreichs (5.-8.
Jh.) fanden erneut viele Ausdrücke (eben germanischer Herkunft)
Eingang in die gesprochene Sprache (z. B. danser – tanzen).
Weitere
Sprachen, die bis zum Mittelalter deutliche Spuren hinterlassen
haben, waren (germanische) Wikingersprachen (z. B. vague –
Welle), das Englische (die Himmelsrichtungen: nord, sud, est, ouest)
und auch das Arabische (z. B. cotton – Baumwolle).
Die
ersten schriftlichen Zeugnisse des (tatsächlich gesprochenen)
Französischen stammen aus dem 9. Jahrhundert, die dominante Hoch-
und Schriftsprache war zu dieser Zeit allerdings auch weiterhin
(Schrift-)Latein. Ab Ende des 11. Jahrhunderts gewann die
französische Sprache für die Lyrik zunehmend an Bedeutung.
Von einer einheitlichen Schriftsprache kann zu dieser Zeit jedoch
keineswegs die Rede sein, vielmehr wurde in Anlehnung an die
unterschiedlichen regionalen Dialekte geschrieben.
Im
Jahre 1539 wurde schließlich Französisch in der
Ordennance
de Villers-Cotterêts als offizielle und ausschließliche
Landessprache festgelegt. Im 16. und 17. Jahrhundert wurden von der
neugegründeten
Académie française zudem der
Schriftstandard und die Grammatik des Französischen einheitlich
festgelegt. Als Aufgabe der
Académie wurde festgelegt,
„mit aller Umsicht und größtmöglicher Sorgfalt
unserer Sprache gewisse Regeln zu geben, sie rein und ausdrucksvoll
zu machen und zur Behandlung der Künste und Wissenschaften zu
befähigen“. Während dieser Zeit verbreitete sich die
(einheitliche) französische Schriftsprache durch eine Vielzahl
von Schriftstücken in ganz Frankreich. Zu nennen sind hier
beispielsweise die Werke der klassischen Dichter des 17. Jahrhunderts
wie Molière oder Racine. Während der Zeit der Aufklärung
(17./18. Jahrhundert), mit Vertretern wie Montesquieu, Rousseau oder
Voltaire, wurden französischsprachige Schriften weit über
die Grenzen Frankreichs bekannt und stärkten so den Einfluss der
französischen Sprache in ganz Europa.
Ab
dem 17. Jahrhundert wurde die französische Sprache zudem zur
Hofsprache des europäischen Adels. In diese Epoche fällt
auch der Aufstieg Frankreichs zu einer der einflussreichsten
Kolonialmächte der Welt, die in ihren Kolonialgebieten die
französische Sprache etablierte.
Aus diesem Grund wird bis heute
in einer Vielzahl von Ländern rund um den Globus –
wenngleich die meisten früheren Kolonien jetzt unabhängig
sind – französisch gesprochen (mehr dazu im folgenden
Kapitel). Die französische Schriftsprache wird übrigens in
allen frankophonen Ländern, also in der Gesamtheit der
französischsprachigen Staaten, einheitlich verwendet. Es
existieren keine prinzipiellen Unterschiede in der Grammatik oder im
Wortschatz, wie sie beispielsweise zwischen dem amerikanischen und
dem britischen Englisch oder dem europäischen und dem
brasilianischen Portugiesisch bestehen.
Die
Organisation internationale de la Francophonie, der heute mehr
als 50 Staaten angehören, ist die Interessenvertretung der
frankophonen Länder. Die Aufgaben dieser Organisation beinhalten
weit mehr als bloßen kulturellen Austausch und Dialog oder
kulturpolitische Maßnahmen.
Durch Zusammenarbeit in der
Landwirtschaft, in der Energiepolitik, im Handel, der
Entwicklungshilfe etc. zwischen den verschiedenen Ländern soll
deren Zusammengehörigkeitsgefühl und Solidarität
gestärkt, Konflikten vorgebeugt, sowie Rechtsstaatlichkeit und
wirtschaftlicher Aufschwung gefördert werden. Andererseits soll
durch diesen Zusammenschluss ein Gegengewicht zur anglophonen
(englischsprachigen) Welt aufgebaut werden.
Einen
wichtigen Einfluss auf die französische Sprache stellen
Entlehnungen aus dem Englischen dar, seit dem 17. und zunehmend seit
dem 19. Jahrhundert – im Zuge von Technisierung und
Internationalisierung. So werden Sie viele Ausdrücke
kennenlernen, die englischen Ursprungs sind, wie vote (Wahlstimme),
football (Fußball), ticket (Fahrschein), biftek (Beefsteak),
hot dog (Hot Dog, Würstchen), week-end (Wochenende) oder
computer (Computer).
Seit einiger Zeit wird seitens der Politik, von
Kulturschaffenden und der (bis heute bestehenden)
Académie
française jedoch versucht, den Einfluss des Englischen auf
das Französische durch Initiativen, Gesetze und Verordnungen
einzuschränken. So wird propagiert, statt der Anglizismen
französische Alternativen zu verwenden. Beispielsweise wurde
hiermit erreicht, dass statt des englischen Begriffs „e-mail“,
die Bezeichnung „courrier électronique“ (oder
deren Kurzform „courriel“) in Frankreich gebräuchlich
ist.
Genauso
wie die Sprache, wird in Frankreich auch die englischsprachige Musik
in Radio und Fernsehen gesetzlich reglementiert. So müssen
Radiostationen eine Quote von mindestens 40% an französischen
Interpreten einhalten. Ob die Vielzahl an gesetzlichen Regelungen die
erwünschten Erfolge (zugunsten einer „Reinhaltung“
des Französischen) zeigen wird, hängt letztlich jedoch
freilich von der Akzeptanz in der Bevölkerung ab.
Was
Ihnen beim Erlernen des Französischen immer wieder auffallen
wird, sind die Unterschiede in der geschriebenen und der gesprochenen
Sprache. So werden die meisten Endkonsonanten, wie beispielsweise
auch das Plural-s, in der Regel nicht gesprochen, wenngleich sie in
der Schriftform auftauchen. Erklärt wird das damit, dass die
französische Orthographie (Rechtschreibung) historisch gesehen
relativ konstant geblieben ist, während die mündliche
Sprache einer weitaus stärkeren Veränderung ausgesetzt war.
Schauen
Sie sich hierzu ein Beispiel an. Die folgenden Wörter werden
alle gleich ausgesprochen, obwohl ihre Bedeutung und Schreibung
unterschiedlich sind:
Alle
diese Begriffe werden als [ver] ausgesprochen
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Das
bedeutet, dass Sie in einem Gespräch darauf achten müssen,
in welchem Kontext das Wort verwendet wird, ob also das [ver] etwas
Grünes, ein Glas oder einen Wurm bezeichnet. Was möchten
wir Ihnen damit mitteilen? Wir möchten Sie keineswegs entmutigen
oder verwirren, nein, vielmehr wollen wir Sie sensibilisieren für
die Eigenheiten der französischen Sprache. Wenn Sie deren
besondere Merkmale kennen, wird Ihnen das Erlernen des Französischen
leichter fallen und – wie wir hoffen – wesentlich mehr
Freude bereiten. Auf gerade diese Eigenheiten wird in dieser
Grammatik deshalb immer wieder Bezug genommen werden.
Schauen
Sie sich nun das folgende Kapitel an, wo Sie erfahren, wer alles
französisch spricht
und wo es gesprochen wird.