Das
Estnische hat eine phonologische Schreibweise. Damit meint man, dass
die Schreibweise die gesprochene Sprache sehr genau wiedergibt. Wenn
man die wenigen Ausspracheregeln kennt, kann man Estnisch gut
(vor)lesen, (mit)schreiben und sich gut verständlich machen.
Wichtig
zu wissen ist – dies gilt für die estnische Sprache im
Allgemeinen –, dass man bei der Aussprache
auf die Länge der Vokale und Konsonanten achten muss.
Einen langen Laut erkennt man daran, dass die betreffenden Buchstaben
verdoppelt geschrieben werden. Die estnische Grammatik unterscheidet
drei Vokalquantitäten (Vokallängen): kurz, lang und
überlang.
Manchmal werden sie auch in Lehrbüchern zur
Grammatik die I., II. und III. Quantitätsstufe genannt. Im
Vergleich zu den deutschen Vokalen spricht man die estnischen kurzen
Vokale etwas kürzer als die deutschen kurzen Vokale aus.
Die
estnischen langen Vokale werden etwas kürzer als die deutschen
langen Vokale artikuliert und letztlich die estnischen überlangen
Vokale werden ähnlich lang wie die deutschen langen Vokale
gesprochen. Die langen Vokale werden nicht im Schriftbild eines
Wortes gekennzeichnet.
An
Diphthongen (zwei Vokale nacheinander in der gleichen Silbe)
gibt es eine größere Anzahl im Estnischen als im
Deutschen. Häufige Kombinationen sind /ai/, /au/, /ei/ (nicht
mit der deutschen Aussprache /ai/ zu verwechseln!), /oa/, /oi/, /ui/,
/õu/, /äe/ und /äo/. Vorkommen können aber noch
viel mehr Diphthonge.
In
folgender Tabelle sind alle möglichen Kombinationen mit je einem
Beispielwort aufgelistet:
Diphthonge
im Estnischen
|
Diphthong
|
im
estnischen Wort
|
Übersetzung
|
/ae/
|
laev
|
das Schiff
|
/ai/
|
mainida
|
erwähnen
|
/ao/
|
taoline
|
solcher/solche/solches
|
/au/
|
kaubamaja
|
das Warenhaus
|
/ea/
|
pea
|
der Kopf
|
/ei/
|
leib
|
das Brot
|
/eo/
|
teos
|
das Werk, die Arbeit
|
/iu/
|
liuglema
|
rutschen
|
/oa/
|
toatüdruk
|
das Zimmermädchen
|
/oe/
|
poeg
|
der Junge, der Sohn
|
/oi/
|
poiss
|
der Junge, der
Kumpel
|
/ou/
|
kloun
|
der Clown
|
/õi/
|
võim
|
die Kraft
|
/õo/
|
lõoke
|
die Lerche
|
/õu/
|
nõuda
|
fordern
|
/ui/
|
kuiv
|
trocken
|
/üi/
|
süit
|
die Suite (Musik)
|
/äe/
|
käes
|
in der Hand; präsent
|
/äi/
|
näidata
|
zeigen
|
/äo/
|
käokell
|
die Kuckucksuhr
|
/öe/
|
nii-öelda
|
sozusagen
|
/öi/
|
öine
|
nächtlich
|
Zu
den Diphthongen ist es noch nützlich zu wissen, dass sie sowohl
fallend als auch steigend sein können. Dies hat mit der Länge
des zweiten Bestandteils des Lautes zu tun: ist er kürzer und
weniger betont, geht es um einen fallenden Diphthong, ist er länger
und stärker betont, geht es um einen steigenden Diphthong. Diese
Unterscheidung wird in verschiedenen Lehrwerken zur estnischen
Grammatik gemacht, aber in diesem Sprachkurs wird nicht näher in
die verschiedene Diphthonge eingegangen.
Bestimmte
Buchstaben – das sind c, č,
q, š, z, �, w, x und y –
gibt es nur in Fremdwörtern.
Fremdwörter können Sie sehr leicht erkennen: fängt
ein Wort mit b, d oder g an, ist es ein
Fremdwort!
Im
Estnischen liegt die Betonung eines Wortes immer auf der
ersten Silbe. Das sollten Sie sich als Unterschied zum Deutschen
merken. Die einzigen Ausnahmen zu dieser Betonungsregel sind neuere
Entlehnungen und Fremdwörter. Es mag für den deutschsprachigen Sprachenlerner
anfangs schwierig erscheinen, dass die langen Vokale im Wort nicht
unbedingt betont werden. Aber wenn man sich die Regel mit der
Anfangsbetonung merkt, ist man ein ganzes Stück weiter im
Bereich der estnischen Aussprache.
Das /r/
wird immer richtig gerollt (das so genannte „Zungenspitzen-r“),
nicht vokalisiert, wie es im Deutschen typischerweise vorkommt. Im
Deutschen klingt das Wort Mutter ähnlich wie /muta/, im
Estnischen würde es sich wie /mutter/ anhören, genau wie
man das Wort schreibt. Hier gilt auch die Regel, die Sie oben schon
gelernt haben, dass man sowohl die Vokale als auch die Konsonanten
lang ausspricht, wenn die entsprechende Schreibung doppelt ist.
Die
stimmhaften Plosive /b/, /d/ und /g/ werden im Estnischen im
Wortauslaut weniger stimmhaft bzw. stimmlos (als /p/, /t/ und /k/)
ausgesprochen. Sie kennen das Phänomen aus dem Deutschen, hier
nennt man es Auslautverhärtung. Lediglich wird dieses Phänomen
im Estnischen ohne Aspiration (Behauchung) realisiert. Im Allgemeinen werden
estnische Wörter nicht aspiriert gesprochen. Eine Besonderheit
in Bezug auf die Konsonanten /b/, /d/ und /g/ ist, dass sie in
ursprünglich estnischen Wörtern nicht im Wortanlaut
vorkommen, also nicht am Anfang des Wortes. Nur Fremdwörter
beginnen mit diesen Buchstaben (siehe oben).
Die
Konsonantenkombination <ng> wird immer /ŋg/
ausgesprochen.
Eine
weitere Regel zu merken wäre, dass alle Vokale in der
ersten Silbe eines Wortes vorkommen können, sowohl kurze als
auch lange. Nur in der zweiten Silbe gibt es Beschränkungen:
dort können nämlich nur die Vokale a, e, i
oder u stehen.
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